Der erfolgreichste deutschsprachige Podcast für CX Management
Peter Pirner: In der heutigen Folge möchte ich der Frage nachgehen, ob CX seine Strahlkraft verloren hat und was das denn für uns alle in der Konsequenz bedeuten könnte. Oder einfach ausgedrückt, CX ist nicht mehr sexy und jetzt? Hallo und herzlich willkommen, ich bin Peter Pürner, schön, dass du dabei
Peter Pirner: Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich habe das Gefühl, Thema Customer Experience ist irgendwie gerade etwas die Luft draußen. Nicht, dass das Thema nicht wirklich wichtig wäre, aber so richtig sexy ist es derzeit auch nicht. Im Scheimwerferlicht stehen jetzt ganz andere und die heißen auch so vielversprechend. AI First Content im Marketing, KI Assistenten mit Agentic Omni Channel Care im Service oder Echtzeit Datenpipelines und Marketing Tech Stack Optimierung. Letzteres bringt vielleicht nur die Augen von IT-Lern zum Leuchten. Spannende und vor allem auch wichtige Themen sind das trotzdem. Es fällt auf, alles hat heute mit künstlicher Intelligenz Mittel oder unmittelbar zu tun und fast alle Themen sollen auch zu besserer Custom Experience führen. Nur verstehen tun wir sie auf breiter Front nicht mehr so richtig. Die thematische Attraktivität ist zu einer hyperpersonalisierten, übrigens auch sein Zauberwort, Attraktivität geworden. Platt ausgedrückt, die Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Die anderen sind dann eben Banausen. Noch vor wenigen Jahren war es völlig undenklich, dass man nicht spätestens auf Seite 5 seiner Präsentation einmal vom herausragenden Kundennutzen der Initiative oder des Projekts sprach. Als wäre man im persönlichen Flow, beschwörten wir den eigenen Kundenfokus und tanzten beglückt das goldene Kalb namens CX. Kein modernes Unternehmen, das etwas auf sich hielt, hatte nicht zumindest einen Verantwortlichen für das Trend-Thema Customer Experience. Mindestens wegen der Außenwirkung. Aber irgendwas ist jetzt anders. CX-Management-Teams müssen zusehen, wie ihre Budgets zumindest teilweise auf andere Abteilungen verteilt werden. Das ist besonders ärgerlich, weil man die doch mit viel Mühe gefühlt erst gestern selbst dem CEO aus den Rippen geleiert hat. Und jeder nutzt sehr gerne zur Argumentation die magischen Worte Customer Experience, meint damit aber doch häufig etwas ganz anderes. Das gibt es übrigens zum Beispiel auch bei Pudding, der in Deutschland eine süße Milchspeise ist und in England als Black Pudding eine Blutwurst.
Peter Pirner: kann heute konkret sehr vieles bedeuten. Und durch den inflationären Gebrauch wird es etwas recht gewöhnliches. Ich habe sowas schon mal erlebt. Das Shiny New Object der Begehrte hieß Kundenzufriedenheit. In den angelsächsischen Ländern war das Konzept schon in den späten 70er Jahren des letzten Jahrhunderts weiterentwickelt worden und es war in der Unternehmenspraxis angekommen. Wir waren noch die Servicewüste Deutschland. Obwohl es auch hierzulande trotz fehlender Kundenbefragung durchaus stabile und lang anhaltende Kundenbeziehungen gab. In den 90er Jahren fingen wir aber auch in der Dachregion an. Genau diese Kundenzufriedenheit aus Sicht der Betroffenen. zu analysieren. Zufrieden ist der, dessen Erwartungen erfüllt wurden, sagt das Confirmation-Disconfirmation-Paradigma des amerikanischen Psychologie- und Marketingprofessors Richard L. Oliver. Damit konnten auch Menschen leben, die meinen, nicht geschimpft ist Lob genug. Ein Anfang war gemacht. Kundenzufriedenheitsforschung wurde zu einem einträglichen Zweig der Forschungsindustrie, streng nach wissenschaftlich-marktforscherischen Kriterien. Es war ausreichend und spannend genug zu beschreiben, wie zufrieden welche Kunden sind. Was wir damals eher nicht getan haben, war zu erklären, wie man zu größerer Zufriedenheit auf Seiten der Kunden kommen kann. Das sollten andere erledigen, die Berater zum Beispiel. Immerhin kannten die sich im Unternehmen aus und hatten auch das Mandat für Veränderungen. Und während klassische Forscher mit immer ausgefalleneren Messmethoden den Realitätsabgleich der Kunden mit ihren Erwartungen gemessen haben, zeigten sich die Abnehmer dieser Forschung zunehmend unter Veränderungsdruck gesetzt. Mein größtes Learning aus der Blütezeit der Zufriedenheitsmessung war, es geht nicht deine persönliche, fachliche Eitelkeit und es geht auch nicht die Schönheit der Forschung, sondern es geht darum, dass was passiert in den Unternehmen. Das sah unter anderem auch Fred Reichelt.
Peter Pirner: als damals bereits Seniorer Partner der Unternehmensberatung Bainzow. Also hat er alle mühsamst ausdifferenzierten komplexen Forschungsansätze zur Kundenzufriedenheit mit einer Kennzahl plattgemacht. Dem MPS. Erstmalig erschienen 2003 in der Harvard Business Review. Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie den MPS als strategische Kennzahl einem Geschäftspartner weiterempfehlen? In der Forschungsbranche waren wir fast alle detraktiv. Blöderweise fanden vor allem die CEOs in den Unternehmen unserer Kunden den Ansatz bestechend. Also Kommando zurück, keine wissenschaftsnahe Forschung mehr, sondern brachiale One Number Systematik. Geld verdienten die Berater nicht mit der Messung, sondern mit der Entwicklung der Kundenstrategie und der Umsetzung derselben. Die arbeitende Kundenzufriedenheit wurde total unsexy, aber die Einführung des MPS versprach blühende Landschaften für die Unternehmen. Dank Online-Forschung wurden die Befragungen auch kostengünstiger und daher von immer mehr Unternehmen eingesetzt. Sie wurden auch internationaler und sie wurden häufiger durchgeführt. Man wollte den Kunden zwar nicht mehr so lange befragen, dafür hat man ihn halt etwas öfter und oberflächiger befragt. Nach jeder Transaktion und immer im gleichen System. Und dann war auch der NPS irgendwann echt nicht mehr sexy. Im Prinzip macht es schon Sinn, sich mit allen Touchpoints des Unternehmens zu beschäftigen. Im Marketing wurde daher das Konzept der Customer Journey Anfang der 2000er Jahre populär. Es schaut nicht nur auf den Touchpoint selbst, sondern analysiert die Reise des Kunden durch diese Touchpoints und wurde so selbst zum neuen attraktiven Erklärungsmodell. Begriffe der angelsächsischen Managementlehre brauchen ja gerne mal 5-10 Jahre, bis sie in der Breite der Unternehmenspraxis der Dachregion angekommen sind. Zwischenzeitlich konnte der NPS als wichtigstes Verkaufsargument für Customer Experience Management Projekte bei uns langsam in Rente gehen. So wahnsinnig verändert hatte sich die Weiterempfehlungssituation in vielen Unternehmen nicht. Das lag nicht zuletzt daran, dass man wie schon alte Jahre zuvor viel zu wenig aus den Insights gemacht hatte. Also
Peter Pirner: Neuer Fokus jetzt hin zum Closed-Loop-Feedback und zum organisationalen Lernen, inklusive Kulturwandel. Auch hier machten die technischen Experience-Plattformen vieles möglich, was man noch zehn Jahre vorher nicht hätte leisten können. Jedem Mitarbeiter sein eigener NPS oder zumindest das offene Kundenfeedback. So geht Weiterentwicklung in der Organisation. Das war der neue Motivationskick. Faktisch wurde Customer Experience Management, die neue Glücksformel, der Nordstern, das was alle machen wollten, sehr sexy. Vor allem auch wegen der griffigen Abkürzung CX konnte man allem voranstellen, sogar einen Podcasttitel. Außerdem Kunden und Experiences gab es eigentlich überall im Unternehmen und deshalb breitete sich die Begrifflichkeit schnell weiter aus. machten sich die Sichtweise zu eigen. Es gab die Sales und die After Sales Experience, ... die Omnichannel und die Touchpoint Experience, ... die Employee Experience, ... das ist die junge attraktive Tochter ... der in die Jahre gekommenen Mitarbeiterzufriedenheit, ... ... die Brand Experience, ... die vom Marketing versprochen wird ... und auch die Nichtkunden miteinbezieht. Alles zumindest einmal in einer Customer Journey Map ... ausdifferenziert und erfasst. Und damit nicht genug. Wenn wir akzeptieren, dass die gemachte Erfahrung immer an der persönlichen Erwartungshaltung gespiegelt wird, ist das Management der Erfahrung etwas sehr Individualisiertes. Dazu braucht es Informationen und die Möglichkeit überhaupt, kundenspezifische, individualisierte Erlebnisse zu schaffen. Und spätestens jetzt hatten wir auch die ITler wieder mit an Bord. Das eher technische Customer Relationship Management mit seinem CAM-System erwachte zu neuem Leben. Schickte dann aber zunächst die New Kids on the Block, also die CDPs und dann Zehntausende von Marketing-Tech-Applikationen auf die Bühne. Jeder zeigte sein kleines sexy Kunststückchen und überlässt es den IT-Verantwortlichen daraus ein funktionsfähiges Tech-Stack zum besten für den Kunden zu designen. Das klingt sehr technisch, das ist sehr technisch.
Peter Pirner: Und das ist aber auch die technologische Grundvoraussetzung, die Erwartungshaltung von Kunden in Zukunft treffen zu können. Seit vielleicht zwei bis drei Jahren ist die Diskussion in der IT jetzt sogar auf Steroiden. Dank künstlicher Intelligenz gibt es zumindest theoretisch und im Marketing der Anbieter erstmal keine Grenze für die technologischen Möglichkeiten. Ich glaube wirklich, kein einziges Stück Software ist mehr verkäuflich wenn es nicht wenigstens mit einem künstlich-intelligenten Copiloten ausgestattet oder powered by AI ist. Die Implementierung von KI-Anwendungen in Unternehmen gestaltet sich deutlich schwieriger, weil erst mal relevante Use-Cases gefunden und die Voraussetzungen für einen sinnvollen und datenschutzkonformen Einsatz von KI geschaffen werden müssen. Das dauert alles länger als gedacht. Aber wenn es erstmal gelöst ist, werden wir viele neue Möglichkeiten für Kunden schaffen, Erfahrungen an den Touchpoints mit dieser Technologie zu machen. Und bis dahin reden wir halt erstmal über die Use Cases. Derzeit vor allem im Umfeld von Marketing Tech und Customer Service. Und genau deshalb stehen wir jetzt an einem ähnlichen Punkt, wie damals beim Übergang von Kundenzufriedenheit zu MPS und dann zu CX. Nur diesmal mit KI. Die intensive Diskussion den Einsatz und Nutzen von KI lenkt natürlich die Aufmerksamkeit des Publikums und der Budgetgeber im Unternehmen ab. Das ist aus meiner Sicht auch gar nicht so schlimm, denn die Rolle des Customer Experience Management hat sich schleichend in vielen Unternehmen ohnehin verändert. Wir sind ja nicht stehen geblieben im Denken oder Handeln. Viele engagierte Customer Experience Managerinnen und Manager haben mit großem missionarischem Eifer die Idee der Customer Centricity in die Unternehmen getragen. Man hat Toolboxen entwickelt, man hat sich mit Vertretern aller möglichen Bereiche zusammengesetzt, eine gemeinsame Sprachregelung zu finden. Man ging den Kundenbedürfnissen auf den Grund, hat die Customer Journey zumindest mal gemapped, aber vor allem das Zusammenspiel der unterschiedlichen Gewerke im Unternehmen verstanden.
Peter Pirner: Viele Pain Points sind nicht neu gewesen und wie immer wurde auch nicht gleich Abhilfe geschaffen. Für manche war es sehr schmerzhaft, die Grenzen des Machbaren so frühzeitig aufgezeigt zu bekommen. Gerade die besonders motivierten haben darunter sehr gelitten, dass Veränderung im Unternehmen vermeintlich eher zäh ist und viele Hürden im Vorfeld aus dem Weg geräumt werden müssen. Und immer wieder ist es die IT, die selbst mit knappen Ressourcen kämpfen muss und gleichzeitig bei Veränderungswilligkeit auch die Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems sicherstellen muss. Echtes technologisches Verständnis für Sachzwänge haben aber nur die wenigsten im Unternehmen. CX Verantwortliche sind da keine Ausnahme. Eins sollte uns allen mittlerweile klar geworden sein. Customer Experience Managerinnen und Manager sind keine Weltretter und sie waren es auch nie. Aber sie leisten einen wichtigen Beitrag im Agenda Setting der Unternehmen. Ich kenne kein Unternehmen, das sich nicht dank einer CX-Initiative intensiver mit der Kundenperspektive auseinandergesetzt hat. Ich kenne aber Unternehmen, die andere Prioritäten als die von den CX-Verantwortlichen vorgeschlagenen festlegen. Auch das kann in bestimmten Situationen sinnvoll sein. Nicht immer ist ein möglichst begeisterndes Kundenerlebnis die größte Baustelle. CX hat also seine Aura als Star-Thema verloren. Das heißt nicht, dass es in der Bedeutungslosigkeit verschwunden ist. Du solltest dich daher auch nicht in die innere Emigration zurückziehen und verstummen. Im Gegenteil, wenn alle nach Links auf KI, Data Pipelines und Agenten stahlen, braucht es Menschen, die leise aber konsequent fragen, und was heißt das für unsere Kunden wirklich? Custom Experience Management ist heute Mannschaftssport. Es braucht alle Funktionsbereiche im Unternehmen. Tag für Tag wirklich kundenorientiert abzuliefern. Und dank der allseits akzeptierten Bedeutung des Themas für das Business sind alle Funktionsbereiche bereit mitzuspielen. Jeder Bereich mit den Fähigkeiten, die er eben mitbringt. Nur selten sind CX-Managers die Stars auf dem Spielfeld. Aber die guten CX-Verantwortlichen sind immer ein wichtiger Teil des Teams. Das klingt weniger glamourös, ist aber deutlich wirksamer.
Peter Pirner: Deine Rolle und ihre Schwerpunkte werden sich immer wieder verändern und genau das macht es so spannend. Was sehe ich in dir? Du bist Übersetzer zwischen IT, Marketing, Service und dem, was Kundinnen und Kunden tatsächlich erleben. Wenn der eine von AI First Orchestration spricht und der andere von Wir brauchen weniger Eskalationen im Call Center, sorgst du dafür, dass beide merken, sie arbeiten am gleichen Kundenproblem. Du bist Priorisiere! Nicht alles, was technisch möglich ist, ist für Kunden relevant. Du hilfst die zwei bis drei Use Cases zu identifizieren, die wirklich einen Unterschied machen. Für Zufriedenheit, Loyalität oder einfach gesagt dafür, dass Kunden bleiben, wiederkommen und euch empfehlen. Du Orchestrator. Du steuerst nicht jeden Spieler und jede Szene, aber du siehst das ganze Spielfeld. Du erkennst, wo Journey-Abschnitte brechen, wo Teams aneinander vorbeiarbeiten und wo ein kleines Prozessdetail mehr Impact hat als die nächste große Kampagne. Und du bist Anwalt der Machbarkeit. Du verdirrst nicht nur die Stimme des Kunden, sondern auch die Realität im Unternehmen. Du verstehst, dass IT nicht zaubern kann, Budgets endlich sind und Kulturwand länger dauert als eine Quartalspräsentation und genau deshalb planst du Schritte, die umsetzbar sind. Wenn CX nicht mehr als Trendthema durchs Haus gejagt wird, ist das keine Abwertung, sondern eine Einladung zum Erwachsenwerden. CX ist kein Projekt, das man einmal einführt, sondern eine Arbeitsweise, die man täglich lebt. Und dafür braucht es Menschen, die nicht beleidigt sind, weil sie nicht mehr auf jeder Folie oben stehen, sondern zufrieden, wenn das Team als Ganzes besser wird. Die wirklich guten CX-Verantwortlichen erkennt man heute nicht daran, wie oft sie das Wort Customer Centricity verwenden, sondern daran, wie oft andere Bereiche sagen, gut, dass ihr uns da den Spiegel vorgehalten habt und dann tatsächlich etwas ändern.
Peter Pirner: Vielleicht ist CX also gar nicht weniger sexy geworden. Vielleicht sieht nur unser Bild von sexy anders aus. Weniger Glamour auf der Bühne, da Verwirkung im Alltag. Nicht mehr mein CX Programm, sondern unsere gemeinsame, jetzt bessere Art, Kunden umzugehen. Und wenn du dazu beiträgst, dass dein Unternehmen genau das jeden Tag ein bisschen besser hinbekommt, dann bist du nicht der Spielball dieser Entwickler. Dann bist du der heimliche Spielmacher und die Rolle finde ich dann mal so richtig sexy.
Peter Pirner: Das war die letzte inhaltlich neue Folge von CX Talks in diesem Jahr. In der Weihnachtspause werde ich euch noch eine Top-Folge aus dem großen Fundus in der Reihe der CX Talks Klassik vorstellen. Lasst euch überraschen, welche das sein wird. Und damit sind wir wieder am Ende der heutigen Folge angelangt. Ich freue mich schon auf 2026, in dem ich auch ein neues Format Menschen in CX ausprobieren möchte. bin schon sehr gespannt auf eure Reaktionen. Jetzt wünsche ich euch erstmal einen wunderbaren Jahresausklang, entspannte, besinnliche Feiertage und einen guten Rutsch. Bei allen Herausforderungen zusammen werden wir 2026 schon schaukeln.
Peter Pirner: Das war CX Talks, der erfolgreichste deutschsprachige Podcast für Customer Experience Management. Mehr Informationen zu CX Talks findest du im Newsletter des E-Therm auf LinkedIn und unter www.cx-talks.com